
Meine erste Fahrt nach Montenegro und was ich daraus mitnehme
Veröffentlicht am 30.03.2025 - von Dominik MüllerWir starten
Die Reise beginnt für Bernd (Vorstand) und mich früh morgens am 17.01.2025 und ich bin zunächst ganz gespannt, was mich auf der langen Fahrt nach Montenegro erwartet. Wir starten von Amtzell Richtung München, wo wir noch Futter, Decken sowie andere Spenden abholen und brechen von dort aus auf, weiter nach Österreich, Slowenien, Kroatien und schließlich Montenegro.
Die Fahrt verläuft sehr entspannt, der Verkehr ist ruhig und wir haben eine gemütliche Reise. Nach rund 14h Fahrzeit und 2h Wartzeit an den Grenzen aus Kroatien heraus und nach Montenegro herein, beginnt der letzte Streckenabschnitt nach Vidrovan (nahe Nikšić), wo uns Srdjan und die Schützlinge bereits erwarten. Srdjan lebt in Montenegro auf dem Hundeplatz und kümmert sich in vollem Umfang um alle unsere Tierschutzhunde vor Ort.
Etwa 18h nach unserem Start in Amtzell, sind wir nun endlich da. Bei unserer Ankunft ist es 02:30 Uhr am Morgen und wir stoßen zur Feier, dass wir die Fahrt geschafft haben und alle unversehrt am Ziel angekommen sind, mit einem Bier an - oder zwei.
Aufenthalt in Ratkos kleinem Häuschen
Ratko und seine Familie wohnen sehr nahe am Hundeplatz in Vidrovan. Dort besitzt er ein kleines aber liebevoll eingerichtetes Häuschen, auf dessen Grundstück Reisende entweder mit ihrem Fahrzeug auf dem Rasen stehen und darin übernachten können oder sie entscheiden sich dafür, direkt im Häuschen zu übernachten. Ich habe das Glück im Häuschen übernachten zu dürfen und habe somit eine optimale Unterkunft für meinen Aufenthalt in Montenegro.
Gastgeber Ratko hat aber nicht nur für die Unterkunft, sondern auch für eine hervorragende Verpflegung gesorgt. Als ich ankomme ist der Kühlschrank mit Getränken gefüllt und kleine Snacks stehen auf dem Tisch. Ich fühle mich herzlich empfangen und freue mich sehr über die überaus nette Geste. Nach dem langen Tag kann ich es kaum erwarten, morgen in alter Frische und bei Tageslicht die Hunde kennenzulernen.
Mein erster Besuch auf dem Hundeplatz
Am selben Morgen, nur ein paar Stunden später, starten wir also zum Hundeplatz. Der Ort, auf den ich mich die gesamte Fahrt über am meisten gefreut hatte. Wir kommen an und ich schaue mich erstmal um. Ich betrachte unsere kleine grüne hüttenartige Quarantänestation, die sog. Green Cottage, sehe mir die Umgebung an, genieße das Frühstück mit dem Team im morgendlichen Sonnenschein und fange an, mich hier richtig wohl zu fühlen. Von außen kann ich die Hunde schon herumtollen sehen, wie sie mit ihren Schwänzen wedeln, sich freuen, dass wir da sind und man erzählt mir Geschichten und Hintergründe zu unterschiedlichen Hunden - wie sie heißen, wie sie hier herkamen, was sie hinter sich haben, mit wem aus dem Rudel sie besser oder auch schlechter klarkommen.
Und dann ist es soweit, zum ersten Mal betrete ich den Hundeplatz. Als ich den Riegel vom Gittertor zur Seite schiebe, das Tor öffne und vorsichtig den ersten Schritt auf den Hundeplatz mache, spüre ich pure Freude. Die kleinen und großen Racker kommen schwanzwedelnd auf mich zu, springen an mir hoch, begrüßen mich, "umarmen" mich und freuen sich mit mir, dass wir alle da sind. Es ist ein unglaublich schönes und vor allem friedliches Gefühl. Insbesondere dann, wenn man weiß, was das Leben der Hunde womöglich ohne unseren Verein stattdessen für sie bereitgehalten hätte. Für mich persönlich ist es für einen kurzen Moment so, als wäre ich in einer Welt, in der es keine Probleme gibt. Keine politischen Dramen oder gar Kriege, keine Sorgen und kein Leid. Einfach nur Freude, dass wir, Hund und Mensch, in diesem Moment alle beieinander sind und Zeit zusammen verbringen.
Weitere Zeit in Montenegro
Auch in den folgenden Tagen bleibt die Stimmung positiv und die Aufgaben vielfältig und das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Viel Sonne, milde Temperaturen und eine angenehme Brise machen die Arbeit im Freien nicht nur erträglich, sondern richtig schön.
Unser Tagesablauf folgt keinem starren Plan. Stattdessen lassen wir uns von den Bedürfnissen vor Ort leiten. Ob Hundeboxen zusammenbauen, Gehege aufräumen oder einfach nur Zeit mit den Hunden verbringen, jeder Tag bringt neue, kleine Aufgaben mit sich, die wir als Team gemeinsam angehen.
Neben den praktischen Arbeiten gibt es auch ein paar offizielle Termine. Zum Beispiel treffen sich Bernd und Srdjan mit dem Bürgermeister von Nikšić, um über die Entwicklung unserer Arbeit in Montenegro und zukünftige Unterstützungsmöglichkeiten und lokale Kooperationen zu sprechen. Ein wichtiger Schritt für die langfristige Perspektive der Animal Soulmates.
Abseits davon bleibt genug Raum für den Austausch untereinander, für gute Gespräche und gemeinsames Lachen. Die Zeit in Montenegro ist geprägt von Herzlichkeit, Tatendrang und dem schönen Gefühl, gemeinsam etwas Sinnvolles zu bewegen.
Tag der Abreise
Am 21.01.2025 treten wir die Rückreise an. Der Tag beginnt wie geplant, wir bereiten alles für die Hunde vor und laden noch am Vormittag die ersten Hunde ein, die wir nach Deutschland bringen wollen. Dann starten wir Richtung Heimat. Nach rund 2h fahrt erreichen wir die große Ländergrenze zu Kroatien bei Herceg Novi. In unseren Fahrzeugen befinden sich insgesamt 15 Hunde, davon 13 Schützlinge aus Montenegro und 2 Hunde, die wie wir aus Deutschland mit uns gestartet sind.
Schwierigkeiten an der Grenze
An der Grenze werden wir kontrolliert und nach Tieren befragt. Wir geben unsere Ausweise und alle Papiere der Hunde an den Grenzposten. Nach einer kurzen Kontrolle gibt die Dame in der Grenzkabine ihr Ok und winkt uns durch. Als wir gerade weiterfahren wollen gibt uns eine weitere Grenzbeamtin ein Handzeichen und zeigt auf eine Bucht am Fahrbahnrand. Wir sollen uns an die Seite stellen und warten.
Ca. 15min Diskussion später werden wir an das Veterinäramt verwiesen, welches direkt nebenan an der Grenze liegt. Dort fahren wir hin und die Papiere der Tiere werden erneut kontrolliert. Jetzt wird uns kommerzieller Tiertransport unterstellt. Obwohl alle Tiere offizielle und gültige Papiere haben und wir alle gesetzlichen Vorgaben einhalten, beharrt der Veterinär darauf, dass wir ein kommerzieller Transport seien und die Tiere beim Zollamt melden müssten, wo wir sie dann verzollen und entsprechende Papiere bekommen sollen. Das ganze dauert mind. zwei Tage. Zeit, die wir mit Hunden in den Fahrzeugen und Terminen in der Heimat natürlich nicht haben.
Neuer Versuch an der kleinen Grenze
Die Grenze in Herceg Novi ist nicht die einzige Grenze nach Kroatien. Es gibt auch noch eine weitere, kleinere Grenze gleich in der Nähe. Dort fahren wir hin, vielleicht haben diese Grenzbeamten kein Problem mit unseren Hunden und lassen uns durchfahren. Wir fahren diesmal in größerem Abstand zueinander in Richtung kleiner Grenze. Als das erste Fahrzeug aus unserem Team am Grenzposten ankommt, werden wir direkt abgewiesen. Vermutlich wurden unsere Kennzeichen bereits weitergegeben mit der Ansage, dass wir Tiere transportieren. Der Grenzbeamte sagt uns, dass wir hier nicht mit Tieren passieren dürften, das ginge nur an der Grenze in Herceg Novi, weil dort ein Veterinäramt sei. Nun stehen wir also an der kleinen Grenze. Es ist ausgeschlossen, dass wir heute noch mit diesen Hunden im Gepäck nach Kroatien kommen. Also was machen wir jetzt?
Abbruch, Rückfahrt zum Hundeplatz
In unseren Fahrzeugen sind 15 Hunde und außerdem ein paar Menschen, die außerhalb von Montenegro auch noch Arbeit, Familie und Termine haben. Zunächst entscheiden wir uns wieder zurück zum Hundeplatz zu fahren und eine weitere Nacht in Montenegro zu verbringen. Durch das Grenzgeschehen haben wir sehr viel Zeit verloren, waren schon viele Stunden unterwegs und eine Fahrt durch die Nacht nach Deutschland wäre ohnehin schwierig geworden. Also fahren wir alle zurück zu Srdjan zum Hundeplatz.
Etwa gegen 20:00 Uhr abends kommen wir wieder am Hundeplatz an. Srdjan wurde während der Rückfahrt telefonisch bereits darauf vorbereitet, das Hundegehege für die neuen bzw. alten Hunde wieder aufzubereiten. Als wir ankommen, laden wir alle Hunde aus und bringen sie an ihren alten Plätzchen unter. Für die Hunde tut es mir in diesem Moment am meisten leid, denn sie hatten während der Fahrt mit Abstand den meisten Stress und Angst und das alles für nichts. Das war sehr schmerzhaft aber es gab nichts, was wir hätten tun können.
Neue Schicht, neues Glück - der zweite Versuch
Michael (Mick), die Hunde und ich starten diesmal sehr früh morgens und wollen den Weg über die bosnische Grenze nach Kroatien nehmen, um dort vielleicht mehr Glück zu haben. Nach ein paar Stunden Fahrt über Serpentinen entlang einer wunderschönen Berglandschaft kommen wir endlich an der kleinen Grenze zu Kroatien an. Dort werden wir unmittelbar und ohne weitere Gespräche abgewiesen, weil die Durchfahrt mit Tieren nur an der großen Grenze in Herceg Novi möglich sei - also da, wo wir noch am Tag zuvor wegen angeblich kommerziellem Tiertransport abgewiesen wurden.
Auf dieses Szenario hatten wir uns vorbereitet, weshalb Marianne und Bernd kurz nach uns gestartet sind, um die Hunde im Ernstfall in ihren Camper zu laden und wieder zurück zum Hundeplatz zu bringen, während wir ohne Hunde (bzw. nur mit Lisa, Micks Hund mit deutschem Pass) die Heimreise Richtung Deutschland antreten. Genau das haben wir nach der erneuten Absage dann auch schweren Herzens gemacht.
Als wir ohne Tierschutzhunde an der Grenze in Herceg Novi ankommen, werden wir dieses Mal freundlich begrüßt, unsere Ausweise werden entgegengenommen, es gibt keinerlei Fragen zu irgendwelchen Tieren oder Gütern und man wünscht uns eine gute Fahrt. "Was ist gerade passiert?", fragen wir uns. Hätten wir 20 Hunde im Camper gehabt, hätte es bei dieser Durchfahrt niemanden interessiert. Es ist schwer zu glauben, dass wir es bei diesem Mal vermutlich ohne Probleme geschafft hätten. Wir sind ein wenig sprachlos. Es ist ein komisches Gefühl, fast schon ein Gefühl, verloren zu haben. Wie hätten wir nach all den Abweisungen an den unterschiedlichsten Grenzen wissen oder auch nur ahnen können, dass wir dieses Mal problemlos durchgewunken werden? Es gab objektiv keinen Grund dazu. Alles, was sich seit unserem letzten Besuch an der Grenze geändert hatte, war das Personal. Neue Schicht, neues Glück.
Und jetzt?
Mick und ich sind nun also in Kroatien. Vor uns liegen rund 1.300km Strecke bis in die Heimat und wir haben keine Tierschutzhunde dabei. Wenigstens aber wissen wir nun, dass die heutigen Mitarbeiter an der Grenze für uns wahrscheinlich weniger problematisch sind, als noch die Schicht am Abend zuvor. Deswegen rufe ich sofort Bernd an und berichte von unserer Erfahrung an der Grenze. Nach dem ersten Seufzer und dem schmerzlichen Gefühl von "hätten wir es doch bloß noch ein weiteres Mal versucht", sehen wir den Lichtblick und die ganze Truppe macht sich mit fast allen Hunden (außer denen, die Mick und ich hätten transportieren sollen) wieder auf an die kroatische Grenze in Herceg Novi. Vielleicht werden auch die anderen Fahrzeuge, so wie wir, einfach durchgewunken. Vielleicht haben wir diesmal Glück - und wir haben Glück. Alle Camper und alle Tiere kommen, wie es eigentlich auch von Anfang an hätte sein sollen, ohne Probleme über die Grenze, denn schließlich transportieren wir alle Tiere sachgemäß und innerhalb der gesetzlichen Bestimmungen. Ein großes Aufatmen geht durch unsere WhatsApp-Gruppe, in der wir unsere Live-Standorte teilen. Als wir sehen, dass die ersten Profilbilder auf der Karte die Grenze passieren, sind wir heilfroh. Endlich hatten sich die anstrengenden Fahrten und das lange Warten gelohnt. Neun Tiere finden ein neues Zuhause und sind auf dem Weg in ein gutes, friedliches und glückliches Leben.
Was nehme ich mit?
Bei meinem ersten Aufenthalt in Montenegro habe ich viele neue Dinge gesehen und kennengelernt. Vor allem aber bleiben mir die Hunde im Kopf und die damit verbundene, wichtige Arbeit, die unser Verein und alle Beteiligten für die Tiere leisten. Wenn man von außen auf das gesamte Tierleid in Montenegro blickt, dann wird deutlich, dass wir erst ganz am Anfang stehen. Es gibt unzählige Streuner, sichtbare Zwingerhaltung am Straßenrand sowie misshandelte Tiere - und ich spreche hier "nur" von den Hunden, denn das Problem erstreckt sich über alle Spezies hinweg.
Das soll aber nicht demotivieren, ganz im Gegenteil. Der ein oder andere mag denken "Was nützt das schon wenn man 10, 100 oder sogar 1.000 Hunde aus Montenegro rausholt, es kommen doch immer neue Hunde nach und es nimmt ja doch kein Ende." Diese Sorge ist nicht unbegründet, es gibt aber gute Argumente dagegen.
Erstens mag es stimmen, dass wenige Hunde für die große Masse kaum einen Unterschied machen, für die wenigen Hunde macht es aber den ganzen Unterschied. Unsere Arbeit bedeutet für jeden einzelnen Hund, den wir retten, ein völlig anderes Schicksal. Was wir tun macht den Unterschied von einem miserablen Hundeleben zu einem glücklichen, erfüllten Leben in Liebe, Wertschätzung und Geborgenheit.
Zweitens retten wir nicht nur Hunde, sondern kastrieren auch streunende Hunde mit der unglaublich wertvollen Hilfe der Tierärztin Saska. Wir hoffen und glauben dadurch mittelfristig die Population der streunenden Hunde eindämmen zu können und somit die Flut an Welpen und weiterem Tierleid zu bremsen.
Und drittens: Als langfristiges und nachhaltiges Ziel geht es darum, ein allgemeines Bewusstsein für Tiere und deren Empfinden in der montenegrinischen Gesellschaft zu entwickeln. Das gilt übrigens nicht nur für Montenegro, das gilt auch für viele andere Länder, unter anderem Deutschland. Menschen sollten verstehen, dass Tiere nicht sprechen und denken können wie wir, sie aber all diejenigen Eigenschaften besitzen, auf die es ankommt, um ihnen ein Mindestmaß an Schutz zuzusprechen. Sie sprechen und denken zwar nicht wie wir, doch auch sie empfinden Freude, Glück, Geborgenheit, Angst und Schmerz - genau wie wir.